Es kann nicht meine Aufgabe sein, die ganze Sportfrage hier zu behandeln, sondern nur
seine Bedeutung für die Keuschheit. Man darf diese Frage nicht gefühlsmäßig zu beantworten suchen, sondern muss sich von sachlichen Erwägungen leiten lassen.
Der Sport kann ein gutes Bewahrungsmittel der Keuschheit sein, er kann aber auch
zum direkten Verführer zur Unsittlichkeit werden. Es ist daher Aufgabe der Erziehung,
die Jugend zur richtigen Einstellung und Betätigung anzuleiten.
Der Sport wird zum Schaden für die Jugend, wenn seine Bedeutung
überschätzt wird und er zum Körperkult ausartet.
Dann wird der Leib zur Hauptsache, der Geist, die Seele verkümmert.
Die Rücksichten auf den Körper gehen allem anderen vor, seine Wünsche sind maßgebend.
Für Höheres fehlt das Verständnis und Interesse. Wohin dann der Weg führt,
zeigen die Bestrebungen jener, deren Ziel die Nacktkultur ist.
Eine weitere große Gefahr erwächst der Jugend aus dem öffentlichen Turnen und Schwimmen der Mädchen und Frauen. Leiden diese selbst schon schweren Schaden durch das Ablegen jeglichen Schamgefühls, so wirkt die Schaustellung ihres Körpers auf die Männerwelt sinnenreizend. Jungmänner, die ich unter vier Augen fragte, gestanden sämtlich, dass sie beim Zuschauen nicht auf die Leistungen, sondern an erster Stelle auf den Körper geachtet hätten. Unsere Bischöfe haben daher derartige Veranstaltungen streng verboten, und ihre Stellungnahme gründet sich
auf die schwersten, sittlichen Bedenken.
Es seien auch die ernsten Worte des Kölner Erzbischofs, Kardinal Schulte, auf der Essener Akademikertagung hier angeführt: „Viele katholische, verantwortliche Stellen sahen nicht und sehen nicht, dass die bedeutsamen Erscheinungsformen, der in den bischöflichen Leitsätzen und Weisungen verurteilten einseitigen Körperkultur in unlösbarem Zusammenhang stehen mit philosophierenden bzw. weltanschaulichen Theorien, und dass man solche Erscheinungsformen nicht hinnehmen kann, ohne zugleich den hinter ihnen stehenden Grundsätzen zum Siege
zu verhelfen, Grundsätzen, die nicht nur zur christlichen Sitte, sondern zum ganzen christlichen Glauben in unüberbrückbarem Gegensatz sich befinden.“
Jugendliche sind oft nicht imstande, die Fernwirkungen von manchem, hinter dem sie nichts sehen, zu erkennen. Daher müssen die Erzieher ihnen zur Seite stehen und sie fest,
aber wohlwollend vor den Gefahren zu bewahren suchen.
Die größten Bedenken bestehen gegen die Zugehörigkeit zu Vereinen oder Klubs jeder Art,
die nicht ausgesprochen katholisch sind. Ein Jugendlicher schrieb mir. „Der Umgang
mit Andersdenkenden hat mich vollständig aus dem katholischen Fühlen und Wollen herausgerissen. Was Wunder, wenn sich das sogar im Familienleben bemerkbar machte.“
Damit war auch bei ihm der Weg zur Unkeuschheit betreten. Wenn katholisches Empfinden
und Wollen fehlt, ergibt sich das andere von selbst, zumal nur zu oft in nicht katholischen Kreisen die Verwilderung der Anschauungen und Sitten in betreff der Keuschheit jeder Beschreibung spottet. Daher haben unsere Bischöfe die Jugend aufgefordert, sich nur in bewusst katholisch
sein wollenden Vereinen zusammenzuschließen.
– Die besonderen Gefahren des Sports für Mädchen sind in „Du und Er“ eingehend behandelt.
Nur kurz sei darauf hingewiesen, wie der Sport ein Bewahrungsmittel der Keuschheit sein kann. Unter Sport verstehe ich nicht so sehr das Interesse an den Leistungen anderer, das Lesen der Sportberichte, die Kenntnis sämtlicher Rekordleistungen, Weltmeisterschaften usw., sondern an erster Stelle die eigene Betätigung. Wie schon bemerkt wurde und im folgenden Abschnitt noch eigens behandelt wird, ist es von großem Wert für die Keuschheit, dass die Jugendlichen möglichst vom sexuellen Gebiete abgelenkt werden. Ihr Geist muss sich mit anderen Dingen beschäftigen, so dass sie für jenes keine Zeit haben. So kann schon in dieser Hinsicht der Sport wohltuend wirken.
Dazu besteht das schönste, edelste Wohlgefallen an sportlichen Leistungen ja in der Freude an der Herrschaft des Geistes über den Leib, da jede Bewegung, die ganze Haltung den vollendeten Sieg des Geistes über ihn ausdrückt. Diese Gedanken lege man der Jugend nahe, damit sie vor allem auch Freude an der Herrschaft über die innerlichen Triebe bekommt. Geht ferner das Hauptstreben der sportliebenden Jugend dahin, einen starken Körper zu bekommen, so ist es leicht, sie schon natürlicherweise für die Keuschheit zu gewinnen, da ja die Sünde ihm
die Kraft und Frische raubt. Endlich betonen unsere Ärzte mit Nachdruck, dass eine gesunde Lebensweise mit viel Bewegung in der frischen Luft, körperliche Anstrengung und Ermüdung
für die Keuschheit förderlich sei. Das gilt vor allem für die Jugend, deren Körper durch die berufliche Beschäftigung nicht hinreichend in Anspruch genommen wird.
Wohl besteht stets die Gefahr, dass die Jugend übertreibt. Sie muss daher zum Maßhalten angehalten werden. Andererseits wäre es zu bedauern, wenn Eltern wegen einiger Auswüchse, die aber keine Schlechtigkeit in sich schließen,
ihren Kindern jede sportliche Betätigung untersagen würden, anstatt durch richtige Anleitung den Sport auch in den Dienst der Bewahrung
jugendlicher Keuschheit zu stellen.
Quelle: „Um die Reinheit der Jugend“ – 1927 – Schilgen Hardy S. J.- S. 144-147