Im Werk der Erziehung muss der Sinn für Reinlichkeit und Ordnung wohl geweckt und fleißig gepflegt werden. Die Sauberkeit ist das äußere Zeichen, das man sich selbst achtet, die Furcht vor dem kalten Wasser
ist der Anfang der Feigheit. „Reinlichkeit ist das halbe Leben“, sagt das Sprichwort.
Und die Ordnung ist das Sinnbild der Herrschaft des Geistes über die körperlichen Dinge.
1. Reinlichkeit und Ordnung sind von hohem Wert für das leibliche und geistliche Wohl.
Verschiedene Gesichtspunkte werden uns davon überzeugen. Die Reinlichkeit ist schon für die Pflege der Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden geboten. ,,Reinlichkeit erhält den Leib, ziert Kinder, Mann und Weib“, sagt der Volksmund. Sie erfreut das Auge und gibt dem Körper die nötige Frische, Beweglichkeit und Stärke. Alle Ärzte behaupten einmütig, dass man sich desto sicherer vor Krankheiten schützt,
je sorgfältiger man auf die körperliche Reinlichkeit bedacht ist. Je reinlicher und sauberer die Kinder
gehalten werden, desto besser gedeihen sie.
Die äußere Reinlichkeit hat zugleich einen großen Einfluss auf die innere Reinheit, Leib und Seele stehen in innerm Zusammenhang. An der äußern Reinlichkeit und Anständigkeit hängt, wie Palmer sagt,
„ein gutes Stück wirklicher Sittlichkeit“. Reinlichkeit ist ein Wiederschein, ein Ausfluss der Ehrfurcht,
die der Christ gegen seinen eigenen Körper als den Tempel des Hl. Geistes hegen soll. Die Achtung
dieses Tempels, die würdige Behandlung des Leibes hat stets ihre Rückwirkung auf das sittliche Leben. Unreinlichkeit aber ist vielfach ein Zeichen von Roheit und Verwilderung. Wer sich im Schmutz behaglich fühlt, ist vernachlässigt und der Versuchung leichter zugänglich; die äußere Unreinlichkeit wird nur zu leicht ihre verderblichen Folgen auf das Innere, die Sitten des Menschen, ausüben. Äußerliche Reinlichkeit führt zur innern Reinheit, während körperlicher und sittlicher Schmutz sehr oft beisammen lagern.
„Reinlichkeit hält Leib und Seele zusammen, und der Mensch, dem sie zur unveräußerlichen Natur geworden sind, hat allemal eine Versuchung weniger.“ Kellner. Die Erziehung zur körperlichen Reinheit
ist darum eine gute Vorstufe für die Erziehung zur sittlichen Reinheit.
Von gleichem Wert ist die Ordnungsliebe. Ordnung fördert Fleiß und Pflichtbewusstsein, Herzens- und Geistesbildung und jegliche andere Tugend. Durch die Ordnung erwerben wir uns die Achtung und das Vertrauen der Menschen. In ihrem Gefolge sind kostbare Vorteile: sie hilft dem Gedächtnis, spart, erhält unsere Sachen und stellt sogar gewissermaßen die innere Ordnung des Seelenlebens dar; Ordnung im Äußern lässt schließen auf Ordnung im Innern. Hauptsächlich aber sichert sie durchgreifende Erfolge und in der Berufstätigkeit. Der Mann der Ordnung ist gewöhnlich auch der Mann der Tat; er ist der Mann, der viel wirkt, weil er weise wirkt; er ist der Mann, der nachhaltig wirkt, weil er mit Bewusstsein und mit Opfern wirkt. Hast du dich an Ordnung gewöhnt, so wird sie dir süß, so wird sie dir zum Bedürfnis. Das Leben der Ordnung ist süß, weil die Zeit rascher verstreicht und der Langeweile kein Raum erübrigt. Es ist süß, weil es das Bewusstsein des Opfers und der Selbstbeherrschung in sich trägt. Es ist süß, weil mit er Ordnung und durch die Ordnung Früchte reifen, die des Himmels wert sind. Das Leben der Ordnung kann dergestalt zum Bedürfnis werden, dass man nur glücklich ist, wenn man es führen kann, und das in den verschiedenen neuen Verhältnissen, in die man gerät, die Ordnung das erste ist, was wieder hergestellt sein will.
„Halte Ordnung und liebe sie,
Ordnung spart dir Zeit und Müh.“
2. Wie können nun Eltern und Erzieher die ihnen anvertrauten Kinder zur Reinlichkeit
und Ordnungsliebe erziehen?
Der Sinn für Reinlichkeit und Ordnungsliebe muss den Kindern frühzeitig eingepflanzt werden;
denn wie bei allen Tugenden, so kommt auch hier alles auf frühzeitige Angewöhnung an.
Von frühester Jugend an muss der Mensch zur Reinlichkeit und Ordnung angehalten werden,
wenn ihm nicht im spätern Leben das Verständnis dafür fehlen soll.
Hier fällt der Mutter die Hauptaufgabe zu. Eine christlich erleuchtete Mutter räumt der körperlichen Pflege und Ausbildung ihrer kleinen Kinder eine bevorzugte Stelle ein, wie es sich für das unentbehrliche Werkzeug der Seele und ihre Wohnung geziemt. Sobald dann die Kinder zu den Unterscheidungsjahren kommen, muss sie die Mutter unablässig mit Wort und Beispiel zur Reinlichkeit und Ordnung anhalten
und anleiten. Wenn sie dem Kind stets mit gutem Beispiel vorangeht, wenn sie stets darauf besteht, dass das Kind sowohl sich selbst als auch alles, womit es sich beschäftigt, rein und in guter Ordnung hält,
dann ist für die Aneignung der Reinlichkeit viel gewonnen. Wenn aber die Mutter selbst unordentlich und unreinlich ist, wenn die Kinderstube und die übrigen Räume des Hauses ein Schauplatz der Unordnung und der Unreinlichkeit sind, wie kann da dem Kind Sinn und Liebe für Reinlichkeit und Ordnung eingepflanzt werden? Wir sagen Reinlichkeit und Ordnung, denn beide sind Zwillingsschwestern,
und ohne die eine ist die andere nicht denkbar.
Bei den Kindern herrscht in dieser Hinsicht oft ein auffallender Unterschied. Manche Kinder haben eine natürliche Anlage zur Reinlichkeit und Ordnung und erscheinen immer sauber und nett. Bei ihnen hat man nur dafür zu sorgen, dass diese Neigung erhalten bleibe. Es gibt aber auch Kinder, die einen gewissen Hang zur Unreinlichkeit haben und hiedurch Eltern und Erziehern mancherlei sorgen und Unannehmlichkeiten bereiten. Diese müssen mit Liebe und Geduld angehalten werden, den Forderungen der Reinlichkeit
zu entsprechen; und gegebenenfalls darf man es auch an dem nötigen Ernst nicht fehlen lassen. Man dränge unablässig darauf, dass sie stets mit rein gewaschenem Gesicht, mit reinen Händen und ordentlich gekämmt erscheinen und dulde auch niemals Schmutz an ihren Kleidern, Spiel- und Schulsachen.
Nur keine Nachgiebigkeit; durch Festigkeit und Ausdauer wird wie überall so auch hier viel erreicht.
„Das jüngere Kind lebt sich in die Ordnung hinein, wenn in der Haushaltung überhaupt Ordnung herrscht, wenn es angehalten wird, Kleider und Spielsachen, Schulgeräte nach dem Gebrauch immer an einem hiezu bestimmten Platz aufzubewahren; ferner wenn Aufstechen, Schlafengehen, Essens- und Spielzeit, besonders auch das Lernen, Beten und Arbeiten geregelt sind. Solche Gewöhnungen in der Kindheit üben oft ihre Nachwirkung bis in die reifern Jahre oder auf das ganze Leben.“ Alban Stolz.
„Rein gehalten dein Gewand,
Rein gehalten Mund und Hand,
Rein das Kleid von Erdenputz,
Rein die Hand von Erdenschmutz.
Sohn, die äußre Reinlichkeit
Ist der innern Unterpfand.“ Rückert.
Sodann, wer die Ordnung liebgewinnen will, muss zuerst lernen, alles, was er benützt, nicht irgendwo hinzuwerfen, sondern an seinen bestimmten Platz zu bringen, den Hut an seinen Haken, die Mappe
auf den Tisch, den Schirm an den Ständer, die Bücher ins Schubfach. etc.
„Einen sehr guten Einfluss auf unser ganzes Wesen hat es, wenn wir uns gewöhnen, beim Verlassen
unsers Arbeitstisches nicht alles durcheinander liegen zu lassen, sondern die einzelnen Sachen schön
gerade nebeneinander hinzulegen. Diese Gewohnheit kommt oft schon ganz von selber, wenn wir die Kleider abends geordnet auf den Stuhl legen.“ Förster, Lebenskunde, S. 100.
Mit der Erziehung zur Reinlichkeit und Ordnung muss jedoch ganz besonders die Erziehung zur innern Reinheit und Ordnung des Seelenlebens verbunden werden, denn ohne diese wäre alle äußerliche Reinlichkeit und Ordnung nur Lug und Trug.
Quelle: „Die christliche Familie“ – 1920 – P. Franz Tischler