Familiensinn – 1 von 2

  • Beitrags-Kategorie:Ehe / Familie
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Die Glieder einer Familie gehören zusammen und bilden ein geschlossenes Ganzes. Sie haben von Gott dem Herrn den Beruf, dass sie sich im gemeinsamen Leben heiligen und gemeinsam dem gleichen Ziel zustreben. Auf sie findet das Wort des Apostels seine schöne Anwendung: „Gottes Bau seid ihr.“ 1 Kor 3, 9.

Die einzelnen Familienmitglieder müssen daher vom Geist der Zusammengehörigkeit und des Zusammenwirkens, vom Geist der gegenseitigen Liebe, Treue und Achtung erfüllt sein. Für Vater und Mutter, für Kinder und Untergebene soll es nach dem Gotteshaus keinen andern Ort geben, wo sie sich lieber aufhalten und seligere Freuden finden als eben in ihrer Heimat, in ihrer Familie. Herrscht dieser Familiensinn in einem Haus, so ist es die traute Stätte des schönsten Glückes und Segens und stellt so recht das Bild einer wahren christlichen Familie dar. Dieser Gegenstand verdient darum eine nähere Beleuchtung.

1. Der häusliche Sinn ist von hoher Wichtigkeit für die Familie im Großen und Ganzen. Schon im klassischen Altertum galt der häusliche Herd für unantastbar und heilig und war der Mittelpunkt des häuslichen Lebens. Namentlich waren unsere Altvordern [Vorfahren] auf deutschem Boden das Volk, dessen Leben sich von ältester Zeit her um den häuslichen Herd bewegte. Nach alter Chronik war „das Zusammensein der Familie die wahre Seele des deutschen Hauses, worin sich alles von selbst versteht und doch alles Leben, Freiheit und Friede atmet“, sei es in Ritterburgen oder im einfachen Bürger- und Bauernhaus. In dem „Buch von den Fürsten“ aus jener Zeit heißt es: „Der echte Bauersmann hat kein lieber gut als Haus und Weib und Kind und dünket sich wohl der beste Stand, den Gott selber eingesetzt im Paradies.“ Hausschatz, XVII, 7.

So sollte es auch jetzt noch sein. Vom häuslichen Sinn hängt der Bestand, das Gedeihen der Familie ab. Das Haus, in dem ein trautes Familienleben herrscht, hat ein schönes, wohltuendes Aussehen und Gepräge. Man zeigt da herzliche Teilnahme gegeneinander, hält treu und redlich zusammen, arbeitet miteinander, tröstet, erbaut, unterstützt einander, leidet und freut sich miteinander. Einer erträgt die Last des andern; Zwietracht und Unfriede, Rechthaberei und Eigensinn, List, Falschheit und Eifersucht: all diese Übel, die das Familienleben so schrecklich entweihen, sind von einem solchen Haus meilenweit entfernt. Man liebt und übt vielmehr die stillen häuslichen Tugenden, auf die der wahre Bestand eines Hauses gegründet ist, als da sind Einfachheit, Ordnung und Berufstreue, Aufrichtigkeit, Liebe und Eintracht. Im Kreis der Familie vergisst man wieder alle Unannehmlichkeiten, die man draußen in der Welt erfahren hat, und vertreibt alle Bitterkeit und Trauer aus dem Herzen, die so oft im Verkehr mit selbstsüchtigen Menschen darin einkehren will. Der Mann atmet wieder auf von der Last des Berufes, die mit schwerem Gewicht auf seine Schultern drückt. Sein Herz schlägt höher und freudiger und süße Zufriedenheit verklärt sein ernstes Angesicht, wenn er nach der harten Arbeit des Tages am Abend einige Stunden im stillen Familienkreis ausruhen kann. Dort winken ihm reinere und edlere Freuden als draußen bei Spiel und Trunk unter leichtsinnigen Weltmenschen.

Dr. Oberdörffer schildert in anschaulicher Weise die innere Zufriedenheit, die der Mann genießt, in dessen Haus stille Häuslichkeit und Familiensinn eingebürgert sind. Er schreibt: Zurückgekehrt nach des Tages Mühen in seine Familie, wo sein gutes, arbeitsames Weib Haushaltung führt, fällt des Lebens Last von seinen Schultern. Freundliche Augen blitzen ihm entgegen und leuchten hinein in die kummerumnachtete Seele. Auf sauber gedecktem Tisch dampft für ihn aus niedlicher Schüssel ein einfaches, aber gut bestelltes Mahl. Was diesem an Würze fehlt, das ersetzt das Herz, das es ihm bereitet. Liebliche Ordnung im kleinen, ruhigen Gemache, geschaffen von seiner Frau regsamen Hand, erquickt sein Auge und sein Gemüt. Da lässt er sich nieder, sein Herz erweitert sich, er fühlt sich behaglich, er fühlt sich zufrieden. Ginge der Arbeiter in das beste Kosthaus, wo ihm in schönen großen Sälen treffliche Gerichte aufgetischt würden, die er unter scherzenden und lärmenden Genossen verzehrte, er würde nicht jene behagliche Gemütlichkeit finden, die dem menschlichen Herzen so wohltut. Als Fremdling würde er sich dort fühlen und eine gewisse Leere in seinem Innern empfinden. Es fehlte ihm eben das traute Heim, das das Herz und die Hand einer treuen Gattin schafft, von der ein Dichter sagt:

Sie ist sein bessrer Teil, hat Mund und Herz
am rechten Fleck und zaubert still Behagen
Ins ganze Leben allerwärts.

Quelle: „Die christliche Familie“ – P. Franz Tischler – 1920

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