Die geistlichen Exerzitien

image_print

Das so berühmte Buch „Die geistlichen Exerzitien“ ist eine religiöse Militärschule, in welcher der heilige Ignatius mit der Weisheit des umsichtigsten Feldherrn alle Übungen angibt in stufenweiser Folge, durch welche der Rekrut im geistlichen Leben sich bis zum triumphierenden Helden ausbilden kann und soll. Der einfache Gang dieser Übungen ist kurz folgender:

1. Die Betrachtung, dass du, o Mensch, von Gott und für Gott erschaffen bist, damit du Ihm dienest und zwar ganz in der Weise, wie Gott will, führt dich zum Entschluss, dich ganz an Gott hinzugeben. Zu dieser Hingabe ist notwendig, dass du völlig gleichgültig seiest gegen Alles, was nicht der göttliche Wille ist, also gegen Armut und Reichtum, gegen Gesundheit und Krankheit, gegen Ehre und Schande, gegen Leben und Tod. Diese Gleichgültigkeit ist das Fundament der Heiligkeit, und wird erlangt durch eine vollkommene Reinigung von jeder Sünde. Zu diesem Ende musst du aufmerksam studieren die innere Abscheulichkeit der Sünde und die entsetzlichen Folgen, womit die Gerechtigkeit Gottes sie straft, woraus dann in dir der tiefste Reueschmerz, der entschiedene Abscheu und der unbedingte Vorsatz, nie mehr zu sündigen, emporwächst. Reue, Abscheu und Vorsatz stärken deine Tätigkeit zur Ausdauer, bis die drei Wurzeln aller Sünden: die Begierde, etwas zu gelten, zu haben und zu genießen, d. h. der Hochmut, die Habsucht und die Fleischeslust, gänzlich ertötet sind.
2. So von dem Reiche der Welt geschieden, trittst du nun als geistlicher Soldat ein in das Reich Christi, dessen Herrlichkeit sich deinem betrachtenden Auge in begeisternder Schönheit darstellt. Der Dienst unter der Fahne Jesu Christi besteht in der Nachahmung seines Lebens, Leidens und Sterbens. Indem du diesen Weg der Nachfolge Jesu betrittst, musst du nicht bloß die Sündelosigkeit, sondern in Allem stets die vollkommenere Tugend, die größere Ehre Gottes anstreben, sodass du bei allen deinen Handlungen immer das Vollkommenste erwählst, was dem göttlichen Willen am meisten entspricht, dazu aber ist unbedingt notwendig, dass du dich einer so vorbehaltlosen Selbstentäußerung befleißest, welche nur in der Selbstentäußerung Jesu Christi bis zum Tode am Kreuze ihr Vorbild hat.

Diese Selbstentäußerung steigt empor zur Vollkommenheit auf den drei Stufen der Demut:
a) wenn du unerschütterlich fest entschlossen bist, lieber alle Leiden zu ertragen, als eine Todsünde zu begehen;
b) wenn du lieber Armut, Schande und den Tod wählst, als dass du auch nur in die kleinste lässliche Sünde einwilligest;
c) wenn du bei ganz freistehender Wahl und bei Ausschließung irgend welcher Rücksicht auf Lohn oder Strafe – Armut, Sande und Leiden freiwillig wählst, um dem Gekreuzigten ähnlich zu sein. Zu diesem höchsten Entschlusse stärkt und ermutigt die Betrachtung des Leidens Christi, sowie die innere Würde und Glückseligkeit der Verachtung um Christi willen, worin die heldenmütigste Tugend liegt, deren du fähig sein kannst. So gelangst du zu deinem Endziele, welches die vollkommene Vereinigung mit dem Willen Gottes ist, und die ganz reine Liebe zum höchsten Gute in sich schließt.

Quelle: „Das Leben der Heiligen“ – P. Otto Bitschnau OSB – 1881 – 31. Juli Hl. Ignatius von Loyola

Verpassen Sie keine neuen Beiträge: