Das gute Beispiel der Eltern

  • Beitrags-Kategorie:Erziehung / Kinder
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„Rasch verhallt das Elternwort, Elternbeispiel wirket fort.“ (Pesendorfer.)

Wie uns das Evangelium berichtet, begab sich einst ein königlicher Beamter, dessen Sohn zu Kapharnum totkrank darniederlag, zum göttlichen Heiland und bat ihn demütig und wiederholt, er möchte hinabkommen und seinen Sohn heilen. Der Herr erhörte die vertrauensvolle Bitte und sprach zu ihm:
„Geh hin, dein Sohn lebt.“ Und der Mann glaubte dem Wort; und schon auf dem Heimweg hörte er von seinen Knechten, die ihm entgegengeeilt waren, das sein Sohn gesund geworden war. Es war dies um dieselbe Stunde, wo Jesus zu ihm gesagt hatte: „Dein Sohn lebt.“ Auf diese wunderbare Heilung hin glaubte der
gute Mann an Jesus, und seine ganze Familie folgte seinem Beispiel, „Er selbst ward gläubig
und sein ganzes Haus“. Joh 4, 53. Daraus können wir entnehmen, welch eine segensreiche Wirkung
das gute Beispiel der Eltern auf die Kinder und die Untergebenen auszuüben vermöge
.

1. Wichtig ist das gute Beispiel der Eltern schon überhaupt. Niemand zweifelt daran, dass die Eltern
die strenge Pflicht haben, ihren Kindern mit gutem Beispiel voranzugehen; aber nicht alle denken an die wunderbare Kraft, die dem guten Beispiel innewohnt, nicht alle wollen die segensreichen Wirkungen, die es hervorzubringen pflegt, freudig anerkennen. „Jedes gute Beispiel ist so wie ein Heiligenbild am Weg;
jeder grüßt es und neigt sich davor“
. Dr. Fr. Förster. „Die Werke haben auch ihre Zunge“, mahnt der
hl. Cyprian die Eltern, „und die Werke sind noch beredter als selbst der Mund; darum werden eure Kinder allezeit mehr auf das achthaben, was ihr tut, als auf das, was ihr nur sagt.“ Wir Menschen erlernen fast alles durch Nachahmung. Nicht bloß das Sprechen, das Singen, das Lesen, das Schreiben und andere Kenntnisse und Fähigkeiten eignen wir uns durch Nachahmung an, sondern auch die Tugend und alles Gute.
„Was sollten auch die Kinder anderes tun“, schreibt zutreffend der hl. Augustin, „als was sie die Eltern
tun sehen? Und was sollten sie anderes reden, als was sie ihre Eltern reden hören?“

Der liebe Gott hat die Seele des Kindes so eingerichtet, dass es alles für wahr und nachahmungswürdig hält, was es bei seinen Eltern sieht und von ihnen hört. Daher diese ihnen angeborene Empfänglichkeit und
dieses gläubige, offene Herz für alles, was die Eltern sagen und tun, dieser Trieb, ihnen alles nachzuahmen. „Zu nichts anderm“, bemerkt Bischof Ketteler, „ist die ganze Seele, das tiefste Gefühl des Kindes
mehr geneigt, als Vater und Mutter als die besten aller Menschen anzusehen.“ Wie wichtig für die
ganze Erziehung und Ausbildung des Kindes ist aber dieses Urteil über die Eltern, das Gott in die Kinderseele gelegt hat. Wie trägt es dazu bei, das Kind für alles, was es von Vater und Mutter sieht und hört,
empfänglich zu machen! Wie segensreich wird sich der ganze Einfluss der Eltern entfalten,
wenn diesem kindlichen Glauben auch die Wirklichkeit einigermaßen entspricht!

Wenn die Wurzel heilig ist“, sagt der Apostel, „so sind es auch die Zweige“. Röm 11,16. Wenn die Eltern fromm und tugendhaft sind, so sind es auch ihre Kinder, denn wie die Zweige aus der Wurzel ihre Nahrung ziehen, so zieht das jugendliche Herz des Kindes den Saft des guten Beispiels aus dem Leben seiner Eltern.

Das gute Beispiel der Eltern ist der beste Katechismus für die Kinder. Von diesem praktischen Katechismus, von dem gottgeweihten Walten und Wirken der frommen Eltern lernen die Kinder von zartester Jugend an den lieben Gott und den Heiland kennen und ehren, lernen ihre Hände mit Andacht, Ehrerbietung und Vertrauen zum Gebet falten, lernen das Gotteshaus und den Gottesdienst schätzen und gern besuchen.
Das auferbauliche Beispiel der Eltern ist für sie die beste Anleitung zur Barmherzigkeit gegen die Armen,
zur Milde, Sanftmut und Freundlichkeit, zur Arbeitsamkeit, Ordnung und Reinlichkeit, zur Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit. Und was sie in dieser Schule des Beispiels, aus diesem Tugendspiegel lernen,
das senkt sich tief in ihre noch unschuldige Seele und wendet die Regungen ihres weichen und empfänglichen Herzens der Tugend zu. Das Kind wird weniger erzogen durch das, was man zu ihm sagt, als durch das,
was es fortwährend an andern wahrnimmt, durch die Eindrücke des täglichen Lebens.

2. Wichtig insbesondere ist das gute Beispiel des Vaters. Der bekannte Spruch: „Mit vereinten Kräften“ gilt auch für die christliche Familie. Nicht die Mutter allein, nicht der Vater allein, sondern beide müssen vereint zusammenwirken, und dies namentlich in Sachen des guten Beispiels.

Es wäre in dieser Hinsicht, um einen brennenden Punkt im einzelnen näher hervorzuheben, ein sehr beklagenswerter Zustand, wenn sich zwar die Mutter alle Mühe kosten ließe, durch Wort und Beispiel
ihre Kinder christlich zu erziehen, wenn aber der Vater durch ein leichtsinniges und weltliches Leben das wieder niederrisse, was die Mutter mühsam aufgebaut hat. Goethe sagt: „Niederträchtig ist, wer von andern das verlangt, was er selbst nicht leistet.“ Liegt im Werk der Kindererziehung die Hauptsache darin, das das Kind im Elternhaus von den zartesten Jahren an gute und heilsame Eindrücke empfange, das ihm eine tiefe Ehrfurcht vor der hl. Religion und eine innige Freude an Frömmigkeit und Tugend eingeflößt werde, dass es die Sünde über alles fliehen, Gott fürchten und lieben und aus dem Glauben leben lerne, so wird doch dies alles, so sehr auch eine gute Mutter dahinwirkt, kaum je und vollends erreicht werden, wenn das Kind die Wahrnehmung macht, das das, was ihm die besorgte Mutter ans Herz legt, dem Vater gleichgültig ist,
ja wenn es merken muss, das der Vater nicht bloß gleichgültig, sondern geradezu dagegen eingenommen ist.

Stellen wir uns auf einen Augenblick einen solchen Vater vor. Er ist gleichgültig gegen Gott, gegen Religion und Tugend, lau und nachlässig im Gebet; zu Haus sieht man ihn kaum je beten, er ist kein Freund von Kirchenbesuchs; wenn’s gut geht, besucht er noch am Sonntag eine hl. Messe, darin besteht seine ganze Sonntagsheiligung; Predigten hört er auch nur selten oder nie; zu den hl. Sakramenten geht er als Österling einmal im Jahr; erbauliche religiöse Gespräche kommen auch nie aus seinem Mund, er spricht vielmehr über religiöse Dinge fast nur in wegwerfender Weise. Um die hl. Kirche kümmert er sich nicht, ihre Leiden berühren ihn nicht, ihre Freuden ergreifen ihn nicht. Während das gute gläubige Volk eifrig an den Gnadenmitteln und Segnungen der Kirche teilnimmt, an ihren heiligen Gebräuchen und Gewohnheiten festhält und ihre Gebote und Anordnungen gewissenhaft beobachtet, bleibt er kalt und lebt gedankenlos in den Tag hinein. Dazu dann, wie es unter solchen Umständen nicht anders sein kann, allerlei Ungebührliches in seinem Leben: Ausbrüche von Ungeduld und Zorn, launenhaftes und mürrisches Benehmen gegen Untergebene, mannigfache Unordnungen im täglichen Wandel und Verkehr, ein völliges sich hingeben an Genuss und Vergnügen. Welche Eindrücke müssen diese und ähnliche Wahrnehmungen auf die heranwachsenden Kinder machen? Jeder Vernünftige sieht ein, dass ein solcher Widerspruch zwischen Glauben und Leben beim Vater auf das Kind sehr unheilvoll wirken muss.

In einer Stadt Frankreichs lebte in zeitlicher Hinsicht ein Ehepaar recht glücklich. Es hatte einen einzigen Sohn, den die fromme Mutter vom zartesten Alter an zu aller Frömmigkeit erzog. Der Junge betete gerne, besuchte täglich die hl. Messe und ging eifrig zu den hl. Sakramenten. Kaum hatte er aber die Knabenschuhe ausgezogen, da trat eine ungeahnte Wandlung ein; er zählte erst fünfzehn Jahre, und sieh, binnen kurzer Zeit war all sein frommer Eifer erloschen. Bekümmerten Herzens gewahrte die Mutter die Sinnesänderung. Wie sie ihn nun um die Ursache seiner Kälte und Gleichgültigkeit, die ihr so schwer aufs Herz fiel, befragte, da erwiderte der Sohn: „Gute Mutter! Solang im Kind war, tat ich´s wie du; aber jetzt, da ich größer geworden bin, will ich tun wie mein Vater, und der geht auch nicht zur Beichte.“ Die Mutter, über diese Antwort betroffen, hinterbringt sie sogleich ihrem Mann. Dieser geht nach einigen Augenblicken des Nachdenkens zu seinem Sohn und sprach zu ihm: „Mein Sohn! es ist bitter für einen Vater sich vor seinem Kind anklagen zu müssen. Weil aber mein Beispiel einen so traurigen Einfluss auf dein Benehmen geübt hat, so nehme ich keinen Anstand meine schuld zu bekennen; verzeih mir das Ärgernis, das ich dir gegeben habe, heute noch will ich es gut machen. Diesen Abend noch suchen wir beide deinen ehemaligen Beichtvater auf.“ Sie taten es auch. Ein lehrreiches Beispiel!

Das Sprichwort sagt: „Worte bewegen, Beispiele ziehen.“ Mögen die eindringlichen Worte der Mutter noch so sehr anregen und bewegen, aber das Beispiel des Vaters zieht. Wer erkennt da nicht, dass die guten Einflüsse dem Kind nicht bloß von der Mutter, sondern auch vom Vater zukommen müssen, soll es das werden, was es nach Gottes Willen zu werden bestimmt ist! Gewiss, erst wenn das Kind wahrnimmt, dass auch der Vater auf Gottesfurcht und Frömmigkeit alles hält, wird dem Kind klar, wozu es auf der Welt ist. „Nun ist alles, was es hört, was es sieht, was es erfährt, christlich, es steht im Einklang mit den Lehren und Vorschriften des hl. Glaubens. Die hl. Religion, ihre Vorschriften und Gebräuche, die Tugenden des christlichen Lebens sind ihm und werden ihm mehr ehrwürdig und heilig; sie sind ja der Mutter, dem Vater heilig. Was mit diesen heiligen Lehren, Vorschriften und Gebräuchen im Widerstreit steht, das ist ihm und wird ihm mehr und mehr verabscheuungswert, das verabscheut, das flieht, das meidet es; Vater und Mutter halten’s ja ebenso. Von früh an wird’s ihm so fast zur andern Natur, christlich zu denken, zu urteilen, zu reden, zu handeln, die Übungen des christlichen Lebens treu und eifrig vorzunehmen; Vater und Mutter tun es ja, und ihr Leben ist sein spiegel, ihr Beispiel übt jene mächtige Anziehungskraft, die ihm Gott gegeben hat. O ja, es wäre fast ein Wunder, wenn ein Kind, das neben einer wahrhaft christlichen Mutter auch einen wahrhaft christlichen Vater hat, nicht brav und gut, nicht wohlerzogen und glücklich würde! Glückliches Kind daher, das neben einer solchen Mutter einen solchen Vater hat!“. Cramer, Der christliche Vater, S. 38. Das gute Beispiel des Vaters geht über alles.

Die Kirchengeschichte führt uns zwei Familien von lauter Heiligen auf, heilige Eltern, die den Glanz ihrer Tugenden auf ihre Kinder vererbten, und heilige Kinder, die den Ruhm der Heiligkeit ihrer Eltern erhöhten. Die eine dieser Familien ist die hl. Familie von Nazianz, deren sämtliche Glieder die katholische Kirche an verschiedenen Tagen als Heilige verehrt. Die Mutter dieser heiligen Familie ist die hl. Nonna. Diese ehrwürdige Matrone, an einen Heiden, namens Gregor, verheiratet, ließ es sich ernstlich angelegen sein, das Wort des Apostels zu erfüllen: „Der ungläubige Mann wird geheiligt durch das gläubige Weib.“ 1 Kor 7,14. Ihrem glühenden Eifer gelang es, ihren Gemahl für das Christentum zu gewinnen. Dieser wurde später Priester und Bischof von Nazianz und starb als Heiliger. Ehevor er die heiligen Weihen empfing hatte er mit Nonna drei Kinder gezeugt, Gorgonia, Cäsarius und Gregor, ein heiliges Dreigestirn. Das jüngste Kind ist der hl. Kirchenvater Gregor von Nazianz. – Die andere heilige Familie ist die Familie des hl. Kirchenvaters Basilius. Viele seiner Ahnen hatten für den Glauben an Christus unsägliche Leiden und Verfolgungen mit christlichem Heldenmut erduldet; seine Großmutter, die hl. Makrina, und ihr frommer Gemahl wurden ihrer Güter beraubt. Die Eltern des hl Kirchenlehrers waren Heilige, nämlich der hl. Basilius und die hl. Emilia; ihre Ehe war mit zehn Kindern gesegnet; diese zeichneten sich durch hohe Tugenden aus, und mehrere davon verehrt die Kirche als Heilige, darunter außer dem hl. Basilius auch den hl. Kirchenlehrer Gregor von Nyssa. Über seine Großmuhme bekennt Basilius: „Ich habe nie die tiefen Eindrücke vergessen, die die Reden und Beispiele dieser heiligen Frau auf meine zarte Seele machten.“

Wie der Acker, so die Rübchen,
Wie der Vater, so die Bübchen,
Wie die Mutter, so die Töchter,
Meistens doch a Bissel schlechter.

Quelle: „Die christliche Familie – 1920 – P. Franz Tischler – S. 272 – 275

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