Belohnungen

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1. Nur solche gute Handlungen verdienen Belohnung, wobei die Kinder gute Gesinnungen haben, die von ihrem freien Willen abhängen und wozu sie noch einer Aufmunterung bedürfen. Also: nur gute Handlungen dürfen belohnt werden. Es verstößt gegen alle Regeln der christlichen Erziehung, wenn böse Handlungen belobt werden, z. B. weil ein Kind sich gerächt, frech gelogen, schlau sich herausgewunden! Ebenso wenig verdienen Lob sittlich gleichgültige Handlungen, z. B. erheiternde Sprünge, Kunstfertigkeiten, schöne Kleider. Als Verdienst kann weiter angerechnet werden nur, was vom freien Willen abhängt, also nicht scharfer Verstand, gutes Gedächtnis, körperliche Schönheit. Wie Gott, so dürfen auch die Eltern als Gottes Stellvertreter nur solche gute Handlungen belohnen, die aus einer guten Gesinnung, Meinung hervorgehen. Was aus schlechtem Beweggrunde, z. B. aus reiner Eitelkeit, Heuchelei, Habsucht, Geiz, Schmeichelei, Ehrgeiz, Gefallsucht etc. hervorgeht, ist bös, auch wenn es äußerlich noch so vortrefflich zu sein scheint.
Ist man über die Herzensmeinung des Kindes im Zweifel, so mache man es recht oft auf die Notwendigkeit der guten Meinung bei unserem Tun und Lassen aufmerksam, indem man oft frägt: Warum hast du das getan? z. B. gebetet, Almosen gegeben? Hast du dabei an den lieben Gott gedacht? etc. Belohnungen sind nur dann angezeigt, wenn zum Gutes tun eine Aufmunterung notwendig ist, also nicht dann, wenn das Kind natürliche Fertigkeiten zu einer Tugend besitzt, sondern wenn die Gemütsart und Geistesbeschaffenheit dem Kinde in der Aneignung einer Tugend oder Fertigkeit besondere Schwierigkeiten bereiten; daher sollen talentvolle Kinder nicht ob ihrer Fortschritte fort und fort belohnt werden, wohl aber schwache Schüler, damit diese angespornt werden, eifrig ihre geringen Kräfte zu benützen.
So z. B. bedürfen heftigere Charaktere öfter einer Belohnung, um sie zur Selbstüberwindung geneigter zu machen, während dies bei von Natur aus verträglicheren Kindern ein Missgriff wäre. – Weil die Belohnung eine Ermunterung sein soll, darf an dem nämlichen Kinde nicht immer das nämliche Gute belohnt werden, sondern nur solange, als es ihm schwerfällt. Die Aneiferung ist dort anzubringen, wo es beim Kinde noch fehlt und nicht bei schon erworbenen und leicht gewordenen Fertigkeiten. – Man belohne endlich nicht jedes einzelne gute Werk, sondern eine ganze Reihe guter Handlungen. Denn erst beharrliches gutes Streben ist tugendhaft und lobenswert; bei einer einzelnen guten Handlung kann ja Laune oder die Gewährung einer gewissen Bitte die Triebfeder gewesen sein. Bei der Belohnung ist der Zusatz nicht überflüssig: ich hoffe, dass du immer braver wirst, weil die Belohnung mehr eine Ermunterung für die Zukunft, als eine Vergeltung für die Vergangenheit sein soll.

2. Womit soll man belohnen? Vor allem nicht mit Dingen, worauf ein wohlerzogenes Kind nie einen Wert legen soll: Leckereien, Putzgegenstände für Mädchen, gefährliche Lustbarkeiten, z. B. wenn du brav bist darfst du aus der Schule wegbleiben, gehen wir zur Musik, bekommst du Zuckerln etc. Werden die Eltern von ihren Kindern geachtet und geliebt, so genügt meistens das Lob, die Bezeugung von Zufriedenheit.
Das Ehrgefühl. darf geweckt werden, jedoch nur mit Mäßigung und mehr in der Weise, dass nicht so fast das Geschehene gelobt als vielmehr dem vorhandenen Streben gute Aussichten eröffnet werden, z. B. „Aus dir kann was Ordentliches werden, wenn du so fortfährst“; „du hast einen guten Willen, möge Gott dich segnen“; „So, jetzt habe ich eine Freude an dir und welche Freude wird der Vater haben, wenn ich ihm das erzähle.“ „Gehorsame Kinder kommen in den Himmel und hat der liebe Gott gern.“
Auch die Gewährung unschuldiger Freuden ist eine Belohnung, z. B. Spiele, Besuche, Kirchengehen, das Erzählen anziehender, belehrender, wahrer Geschichten, z. B. aus dem Leben der Heiligen.
Hinsichtlich der Geschenke muss man sich vor Überfüllung hüten. Am zweckmäßigsten ist ein schönes Bild, ein Gebetbuch, ein nützlicher Schulgegenstand, Rosenkranz oder Kreuzchen, ein Kleidungsstück, einige Geldstücke in die Sparbüchse. Um derartige Belohnungen nicht zu sehr anzuhäufen, kann man sie auf eine Zeit verlegen, wo ohnehin eine Überraschung üblich ist, z. B. Namens-, Neujahrstag, Markt etc. mit der Bemerkung, das sei die Belohnung für ihr gutes Betragen.
Endlich bemerken wir, dass die Belohnung in der Regel der Strafe vorausgehen müsse; die Strafe ist meistenteils erst dann am Platze, wenn man mit der Belohnung nichts ausrichtet; man muss es zuerst mit Güte probieren, und erst wenn diese nichts fruchtet, mit Strenge.

Quelle: „Wachet über Gottes Kinder“ – Sebastian Danner – 1892

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