Die Vergebung der lässlichen Sünde außerhalb der Beichte Teil 3 von 3

  • Beitrags-Kategorie:Gebet / geistliches Leben
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Eine hervorragende Stellung unter den Mitteln zur Vergebung der lässlichen Sünde nimmt die Eucharistie ein, als heilige Kommunion sowohl wie auch als Opfer. Hören wir, was der römische Katechismus (2. Teil, 4. Kap.) diesbezüglich über die heilige Kommunion sagt: „Dass durch die Eucharistie die leichten Sünden, die man lässliche zu nennen pflegt, vergeben werden, daran soll man nicht zweifeln. Alles, was die Seele durch die fleischliche Begierde verloren hat, da sie in unwichtigen Dingen strauchelte, wird durch die Eucharistie wiedererstattet, indem sie die Schuld der geringeren Sünden wegnimmt, gleichwie die natürliche Speise die körperliche Wärme erneuert und ersetzt, die täglich dem Körper entzogen wird und verloren geht. Deswegen hat der große Ambrosius mit Recht von diesem himmlischen Sakrament gesagt: ‚Dies tägliche Brot wird genossen zur Heilung unserer täglichen Schwachheit‘ Das Gesagte ist natürlich nur von jenen Sünden zu verstehen, für welche das Gemüt keine freiwillige Anhänglichkeit empfindet.“ Soweit der römische Katechismus. Seine Worte besagen klar und deutlich, dass die heilige Kommunion die lässlichen Sünden tilgt.

Sie zeigen auch die Art und Weise an, wie dies geschieht: gleichwie die leibliche Nahrung die geminderte Körperwärme ersetzt, so erneuert die heilige Kommunion die Wärme der Seele, die Liebe. Durch diese Erneuerung der Glut der Liebe also tilgt sie die lässlichen Sünden. Der römische Katechismus bestätigt mit dieser Lehre die Anschauung des heiligen Thomas von Aquin, wonach der Eifer, die Glut der Liebe die unmittelbarste Ursache ist, die für gewöhnlich die lässliche Sünde aus der Seele ausmerzt. Die Vermehrung der heiligmachenden Gnade und die Erneuerung der Liebe bringt die heilige Kommunion kraft der Einsetzung Christi (ex opere operato) hervor, die Nachlassung der Sünden jedoch mittels der Liebesakte, die der Empfangende in der Danksagung erweckt. Da nun die leibliche Gegenwart des Heilandes die Seele zu vielen heißen und wirksamen Akten der Reue, der Liebe, des guten Vorsatzes entflammt, so ist es ohne weiteres klar, dass eine einzige andächtige heilige Kommunion die meisten, wenn nicht alle lässlichen Sünden von uns wegnimmt. Eine Bedingung jedoch muss nach dem römischen Katechismus erfüllt sein, soll die Eucharistie ihre sündentilgende Kraft ausüben: es darf keine freiwillige Anhänglichkeit an die Sünde in der Seele vorhanden sein. Die heilige Kommunion tilgt bloß jene lässlichen Sünden, von denen die Seele sich innerlich bewusst oder unbewusst loslöst. Soweit die freiwillige Anhänglichkeit an die Sünde bleibt, so weit bleibt die Sünde. Indessen ist die heilige Kommunion auch hierfür ein treffliches Heilmittel. Sie hilft uns über diese Anhänglichkeit hinwegkommen, weswegen es im Dekret Pius X. über die tägliche Kommunion heißt: es könne nicht ausbleiben, dass die tägliche Kommunion die Seele auch von der Anhänglichkeit an die lässliche Sünde nach und nach befreie.

Auch als Opfer tilgt die Eucharistie die lässlichen Sünden, doch in anderer Weise als in der heiligen Kommunion. Während die heilige Kommunion die Entsündigung der Seele durch die Vermehrung der Liebe bewirkt, tilgt das heilige Messopfer dieselben durch seine gottversöhnende Kraft: durch das Blut seines Sohnes, das in diesem Opfer um Gnade zum Himmel ruft, zu Milde und Erbarmung bewogen, gewährt Gott die Gabe der Bußfertigkeit und des Bußeifers und durch diese erfolgt dann die Vergebung der Sünden. Das bezieht sich jedoch nur auf die Sündenschuld; denn die Sündenstrafen werden durch das heilige Messopfer unmittelbar nachgelassen.

Eines der vorzüglichsten Mittel, die Verzeihung seiner Sünden von Gott zu erlangen und besonders, den entnervenden Wirkungen der Sünden zu begegnen, ist der Akt der entgegengesetzten Tugend. Diese Übung besteht darin, dass man sich, sobald man einen ernstlicheren Fehler begangen hat, sogleich vornimmt, das begangene Unrecht durch einen Akt derjenigen Tugend, gegen die man gefehlt hat, wieder gutzumachen. Wenn eine solche Handlungsweise aus übernatürlichen Beweggründen hervorgeht, besonders im Hinblick auf Gott, dem man auf diese Weise seinen Schmerz über das Vorgefallene bekunden und eine angemessene Sühne darbieten will, so ist sie imstande, die bösen Folgen der Sünde in ihr Gegenteil umzukehren, Gift in Heilmittel umzuwandeln. Wer diese Übung sich zu eigen macht, wird bald in glücklichster Weise erfahren, wie schnell die durch die Sünde getrübte Seelenatmosphäre wieder gereinigt wird und wie rasch die im Guten erlahmte Willenskraft sich erholen kann. Ja, seine Bereitschaft zum Guten wird nach dem Falle größer sein, als zuvor. Diese Übung ist nicht nur eine treffliche Buße, nicht nur ein vorzügliches Heilmittel, sie wirkt auch außerordentlich erzieherisch. Durch sie wird unser Streben aufs Neue auf die Ideale gerichtet, von denen wir einen Augenblick abgewichen sind; durch sie gewinnt der Wille seine momentan erschütterte Herrschaft über die Schwäche der Natur wieder zurück. Es gibt daher wenig Übungen des sittlich-religiösen Lebens, die dringender zu empfehlen wären als diese; insbesondere sollten alle Pönitenten, die sich die Ablegung eines bestimmten Fehlers zum Ziele gesetzt haben, ein ganz besonderes Gewicht darauf legen, so zu handeln. Waren wir also an einem Tage unpünktlich, säumig in der Erfüllung unserer Standespflichten, nachlässig und träge bei unseren Arbeiten, so fassen wir den Entschluss, aus Liebe zu Gott und zur Strafe für den begangenen Fehler den Tag darauf doppelt so pflichteifrig, doppelt so aufmerksam zu sein. Waren wir gegen Eltern und Vorgesetzte ungehorsam, haben wir sie betrübt durch unsere Launen, unsere Unarten, so ergreifen wir den nächsten sich bietenden Anlass, ihnen doppelt freudig zu Willen zu sein. Waren wir einen Tag lang lau im Gebet, haben wir beim Gebet die vorbereitenden Akte unterlassen, haben wir uns gar mit freiem Willen den Zerstreuungen während desselben hingegeben, so machen wir dies dadurch gut, dass wir den andern Tag mit ganz besonderer Sorgfalt beten. Haben wir gegen den Nächsten gefehlt durch lieblose Worte, durch Mangel an Dienstfertigkeit und Zuvorkommenheit, so werden wir dafür die nächste Gelegenheit benützen, um ihm mit um so größerer Herzlichkeit und Dienstbereitschaft zu begegnen. Merken wir, dass wir im Genuss des Guten durch Übermaß gefehlt haben, so büßen wir dies durch irgendeine kleine Einschränkung. Haben wir Augen und Ohren zu viel Freiheit gestattet, so halten wir sie dafür bei einer Gelegenheit, wo dies besonders abtötend scheint, umso schärfer im Zaume. Und so weiter. Auf solche Weise rächt wahre Gottesliebe jede Unart durch die entgegengesetzte Tugend.

So weiß christliche Klugheit Nutzen sogar aus den Fehlern zu ziehen, so wird durch christliche Selbsterziehung jeder Fehltritt Anlass zu Fortschritt. Und auf diese Weise bewahrheitet sich sogar an der Sünde das Wort der heiligen Schrift: „Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Guten.“ (Röm. 8, 28) Diesen Bußweg haben auch die Christen der ältesten Zeit schon beschritten. Denn Pacianus, Bischof von Barcelona, gest. 390, mahnte sie: „Alle andern Sünden (außer den schweren) werden durch Bessertun gesühnt. Deshalb wird Geiz durch Güte gebüßt, ein Schmähwort durch Genugtuung aufgewogen, Traurigkeit durch Freude, rauhes Wesen durch Milde, Leichtsinn durch Ernst, Verkehrtheit durch Gesittung gut gemacht und jeder Fehler durch sein Gegenteil gebessert und gehoben.“ (Bußrede 4)
Das sind die hauptsächlichsten Mittel zur Tilgung der lässlichen Sünde außerhalb der Beichte. Die meisten derselben haben vor der Beichte den großen Vorzug, dass sie jederzeit zur Verfügung stehen und dass ihr Gebrauch mit keinerlei Schwierigkeiten verknüpft ist. Was kann uns hindern, sofort nach begangener Sünde einen Akt der Reue zu erwecken? Welche Schwierigkeit kann es uns bieten, alsbald ein Gebet um Vergebung unserer Schuld zu verrichten, oder einen Akt der entgegengesetzten Tugend zu geloben? Und haben wir nicht tausendfach am Tag Gelegenheit, durch eine kurze Erwägung, durch einen Besuch in der Kirche, durch einen Aufblick zum Himmel, durch irgendein Stoßgebet unsere Gottesliebe zu erneuern, diese Gottesliebe, von der nach der Lehre des heiligen Thomas die lässliche Sünde wie Spreu vom Feuer verzehrt wird. Wir können nicht zu jeder Zeit beichten, aber zu jeder Zeit im Tage können wir uns ohne Beichte von unsern lässlichen Sünden reinigen. Freuen wir uns dessen und machen wir uns diese Möglichkeit zunutze.

In der Seele eines eifrigen Gotteskindes ist der lässlichen Sünde ein kurzes Dasein beschieden: kaum ist sie begangen, ist sie meistens auch schon gesühnt. Daraus ergibt sich die Tatsache, dass die meisten lässlichen Sünden, die gelegentlich in der Devotionsbeichte angeklagt werden, längst vergeben sind, wenn sie in den Beichtstuhl getragen werden, wenigstens was die Schuld der Sünde angeht. Die Absolution fällt tatsächlich selten auf Sünden, deren Schuld noch nicht getilgt ist. Wem dieser Gedanke übermäßig kühn vorkommt, der beherzige die Lehre des heiligen Thomas von Aquin in seiner Summa (I. II. qu. 89, a. 2 ad 3).

Der heilige Paulus schreibt bekanntlich in seinem ersten Brief an die Korinther (3, 12), es gebe Christen, die auf das Fundament des Glaubens Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu und Spreu bauen. Durch Holz, Heu und Spreu werden nach Thomas die lässlichen Sünden bezeichnet. Nun aber erhebt er wider sich selbst den Einwurf: „Wenn Holz, Heu und Spreu die lässlichen Sünden bedeuten, so muss man auch von den Gerechten sagen, dass sie auf dem Fundament des Glaubens solchen Brennstoff fürs Fegfeuer aufhäufen, denn lässliche Sünden begehen alle Menschen.“ Darauf antwortet er aber: „Diejenigen, die losgelöst sind von der Sorge um das Zeitliche, begehen zwar zuweilen lässliche Sünden, aber sie begehen nur kleine lässliche Sünden und reinigen sich von denselben durch ‚die Innigkeit der Gottesliebe‘ sehr häufig. Von ihnen kann man also nicht sagen, dass sie lässliche Sünden auf dem Fundament des Glaubens ‚aufbauen‘, denn bei ihnen bleibt von denselben nur wenig zurück. Dagegen bleiben die lässlichen Sünden bei jenen, die um das Zeitliche besorgt sind, länger bestehen, denn sie können sich nicht so oft damit abgeben, dieselben zu tilgen durch die Innigkeit der Gottesliebe.“

Wir können demnach durch Eifer in der Gottesliebe, durch bußfertige Gesinnung, durch Pflege der Bußabsichten fast allen Handlungen unseres täglichen Lebens sündentilgende Kraft verleihen; wir können unser Leben gleichsam zu einem zweiten Sakrament der Versöhnung und Vergebung gestalten. Tun wir das von ganzem Herzen! Lassen wir die Makel der lässlichen Sünde doch niemals längere Zeit an unserer Seele haften! Warten wir zur Tilgung unserer täglichen Fehltritte doch nicht den Beichttag ab. Die großen Einbußen an Gnaden und Heiligung, die wir erleiden, rühren weniger daher, dass wir fehlen, als daher, dass wir mit der Sühne unserer Fehler so lange säumen, dass wir uns nach begangener Sünde zu lange mit verminderter Einsicht und geschwächter Energie dahinschleppen. Wer die Gewohnheit genommen hat, jedes Stäublein, das sich auf seine Seele setzt, sofort abzuwischen und jedes Hindernis, das sich der göttlichen Gnadenmitteilung entgegenstellt, gleich hinwegzuräumen, der wird die herrliche Erfahrung machen, dass seine Sünden ihn nicht von Gott entfernen, sondern zu Gott hindrängen. Und es wird ihm gelingen, seine Gedanken- und Gefühlswelt auf einer Höhe der Reinheit und Übernatürlichkeit zu halten, welche das Zeichen der Gottbegnadeten ist.

Diese Lehre von der Nachlassung der lässlichen Sünden außerhalb des Bußsakramentes soll unserm ganzen Bußstreben eine große Weite des Blickes geben und ihm eine Freiheit verleihen, der jede Ängstlichkeit fern ist. Drei praktische Wahrheiten wollen wir nie vergessen; erstens: haben wir gefehlt, so besitzen wir zahlreiche Mittel, den Fehler auf der Stelle wieder gutzumachen; zweitens: haben wir einen Fehler durch persönliche Buße getilgt, so steht es uns außerdem noch frei, ihn der Wirksamkeit der sakramentalen Absolution zu unterbreiten; drittens: entschließen wir uns, eine begangene lässliche Sünde dem Bußsakrament zu unterbreiten, so tun wir es im Bewusstsein, dass dies nicht aus Notwendigkeit, sondern aus freier, ungezwungener Liebe geschieht. Daher sei jetzt schon der Leitgedanke dieses Büchleins ausgesprochen: In der Beichte der lässlichen Sünden geschehe alles aus Eifer und nichts aus Zwang.

Quelle: „Die Devotionsbeichte“ von P. Phillip Scharsch Obl. M. J. – 1922

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